Museum wird zum Ort in der Mitte der Gesellschaft

    Die umfassenden Sanierungsarbeiten im Aargauer Kunsthaus sind abgeschlossen und das Haus erstrahlt in neuem Glanz. Betriebsleiter Andy Giger und Kuratorin Céline Eidenbenz nehmen uns mit auf einen Rundgang durch das frisch renovierte Haus sowie die neue Ausstellung «Stranger in the Village. Rassismus im Spiegel von James Baldwin».

    (Bild: Caroline Minjolle) Betriebsleiter Andy Giger: «Die Sanierung hat den Charakter der Ausstellungsräume erhalten und sie gleichzeitig für die kommenden Jahre fit gemacht.»

    Das Aargauer Kunsthaus wurde umfassend saniert. Wie präsentiert sich das Haus jetzt im neuen Glanz?
    Andy Giger: Das Aargauer Kunsthaus ist jetzt in wichtigen Teilen wieder auf dem neusten Stand der Technik, um die Kunst ins beste Licht zu rücken. Durch die Schliessung des Hauses haben wir die einmalige Möglichkeit erhalten, alle Böden in den Ausstellungsräumen zu sanieren. Diese waren nach 20 Jahren öffentlicher Nutzung stark abgenutzt. Die LED-Technologie bei der neuen Beleuchtung bringt mehrere Vorteile im Ausleuchten von Kunstobjekten, darunter fällt sicher die optimale Farbwiedergabe. Wir sind ausserdem sicher auch energieeffizienter unterwegs als bisher. Die Eingangstür ist endlich automatisiert und steht im Einklang mit dem Ziel eines barrierefreien Kunsthauses.

    Was ist besonders augenfällig bezüglich des neuen Auftrittes?
    Andy Giger: Die Sanierung hat den Charakter der Ausstellungsräume erhalten und sie gleichzeitig für die kommenden Jahre fit gemacht. Einige Gestaltungselemente im Foyer, die in enger Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro Herzog & de Meuron entwickelt wurden, fallen den Besuchenden beim Betreten des Kunsthauses sofort auf.

    Was ist charakteristisch für das neu gestaltete Foyer?
    Andy Giger: Wir haben unter anderem das Mobiliar erneuert und punktuell weitere Farben und neue Textilien eingebracht. So gibt es im Foyer nun unterschiedliche Orte, wo man verweilen kann, um Zeitung zu lesen und etwas zu trinken oder sich mit Freunden zu treffen. Unter anderem sind die Hochtische an der Fensterfront sowie die diversen neuen Sitzgelegenheiten eine markante Verbesserung. Auch die neuen Hängeleuchten über der Bar und der Empfangstheke sind schöne Elemente. Ich freue mich, dass unter neuer Führung auch das Kunsthaus-Café basil zur zusätzlichen Belebung des Foyers beiträgt.

    (Bild: Caroline Minjolle) Kuratorin Céline Eidenbenz: Wir bieten mit der Ausstellung einen Rahmen, die Diskussion über Rassismus in Verbindung mit dem künstlerischen Schaffen differenziert zu führen.

    Mit der neuen Ausstellung «Stranger in the Village. Rassismus im Spiegel von James Baldwin» thematisiert das Kunsthaus den Rassismus. Was hat das Kunsthaus-Team bewogen, dieses Thema aktuell zu beleuchten?
    Céline Eidenbenz: Wir verstehen das Museum heute als Ort in der Mitte der Gesellschaft. Wir vermitteln kulturelles Erbe und zeigen in Sonderausstellungen Themen der Gegenwart durch die Perspektive der Kunst, um damit eine offene und vielfältige Gesellschaft zu stärken und Voneinander zu lernen. Wir sind als Team und Institution davon überzeugt, dass das Aargauer Kunsthaus der geeignete Ort ist für eine Ausstellung, die nach Zugehörigkeit und Ausgrenzung in der Gesellschaft fragt.
    Der Text des US-amerikanischen Schriftstellers James Baldwin wurde vor 70 Jahren in der Schweiz geschrieben. Seine Aussagen sind auch heute noch gültig und hochaktuell. Rassistische Diskriminierungen sind auch in der Schweiz allgegenwärtig, wie aktuelle Debatten zeigen. Wir bieten mit der Ausstellung einen Rahmen, die Diskussion über Rassismus in Verbindung mit dem künstlerischen Schaffen differenziert zu führen.

    Wie werden die Besucherinnen und Besucher mit dieser Gruppenausstellung auf den Rassismus angesprochen?
    Céline Eidenbenz: Einerseits sehen sie in der Ausstellung aktuelle Werke von Kunstschaffenden, die sich mit dem Thema intensiv auseinandersetzen. Sie lernen die Perspektive der Menschen kennen, die Rassismus kennen und mit den Konsequenzen leben. Viele Leute, die keinen Rassismus erfahren, realisieren nicht, dass Rassismus für betroffene Menschen eine konkrete Einschränkung darstellt. Für sie können einige Werke der Ausstellung – so wie für einige von uns im Team des Aargauer Kunsthauses – auch ein Augenöffner sein. Andererseits können die Besuchenden auch selber darüber nachdenken, wie sie Ausgrenzungen im Alltag beobachten. Das Publikum ist eingeladen, eigene Fragen Erfahrungen zu teilen. In zwei Räumen, die von der Vermittlerin und Künstlerin Laura Arminda Kingsley gestaltet wurden, kann das Publikum aktiv mitmachen: selber gestalten, mitschreiben – und in einem Leseraum mehr über Rassismus erfahren.

    Die Ausstellung wurde durch ein mehrheitlich privilegiertes Museumsteam ohne eigene Rassimuserfahrung konzipiert. Wie realitätsnah wird so die rassistische Diskriminierung, Ausgrenzung und Zugehörigkeit dargestellt?
    Céline Eidenbenz: Um mehr Wissen und Diversität einzubringen hat uns ein «Advisory Board» – ein beratendes Komitee – beim Entwickeln der Ausstellung begleitet. Dieses Komitee besteht aus Personen unterschiedlicher Fachbereiche und Hintergründe. Sie alle zeichnet eine tiefergehende Beschäftigung mit Thematiken wie rassistische Diskriminierung, Ausgrenzung und Zugehörigkeit, oder Dekolonisierung aus – immer mit Bezug zur Kunst und zur Schweiz. Wir sehen diese Ausstellung als Ausgangspunkt eines längeren Lernprozesses, der auch strukturelle Veränderungen im Kunsthaus bewirken wird: Für das gesamte Team des Kunsthauses wurden mehrere Anti-Rassismus Workshops organisiert. Unser Ziel ist es, ein Bewusstsein nicht nur für das Publikum zu schaffen, sondern auch als Institution über die Bedeutung von Diversität im Museum nachzudenken.

    Wie begegnet das Schweizer Publikum dem Rassismus in der Ausstellung?
    Céline Eidenbenz: Die meisten der hunderten von Besuchenden am Eröffnungswochenende haben sehr viel Interesse an der Ausstellung gezeigt. Das Thema wird erfahrungsgemäss unterschiedlich aufgenommen, je nachdem ob die besuchenden Personen selber von Rassismus betroffen sind oder das Thema bisher nur am Rande oder nicht bewusst wahrgenommen haben.

    Noch ein paar Worte zur Dauerausstellung!
    Céline Eidenbenz: Das Aargauer Kunsthaus zeigt jedes Jahr eine andere Auswahl an Sammlungswerken im Ober- und Untergeschoss. Es sind also immer wieder neue Werke aus der Sammlung zu entdecken. Im Obergeschoss begegnet man aktuell einer Kombination von Malerei und Skulptur. Zu sehen sind etwa Landschaften von Caspar Wolf oder ein Porträt von Louise Breslau in unmittelbarer Nähe von modernen und zeitgenössischen Skulpturen. Im Untergeschoss kann das Publikum ausserdem neu drei Räume entdecken, die dem Aargauer Künstler Hugo Suter gewidmet sind.

    Welche weiteren Ausstellungen sind sonst noch geplant?
    Céline Eidenbenz: Im Dezember erwartet sie die Auswahl 23, die wir mit dem Aargauer Kuratorium gemeinsam organisieren. Sie präsentiert auf zwei Stockwerken Kunst aus dem Kanton Aargau in seiner ganzen Vielfalt. Im Januar eröffnen wir die grosse Augusto Giacometti Ausstellung. Seine Werke zählen sicher zu den Höhepunkten der Schweizer Kunst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Bekannte aber auch noch nie gezeigte Werke zeigen Giacomettis grosses Spektrum und seine Experimentierfreudigkeit als freier Künstler und als Auftragskünstler.

    Corinne Remund

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