Meldepflicht bei Unfall

    Frage: Als ich in einem Parkhaus rückwärts mit meinem Auto aus dem Parkfeld fahren wollte, touchierte ich leicht ein fremdes Fahrzeug. Ich habe das fremde Auto kurz aus der Ferne angeschaut und keinen Schaden festgestellt. Nun habe ich einen Strafbefehl der Staatsanwaltschaft erhalten, weil am fremden Fahrzeug offenbar doch ein Schaden entstanden ist und ich folglich meine Meldepflicht verletzt hätte. Muss ich die Busse akzeptieren?

    Antwort: Nach Art. 92 Abs. 1 SVG wird mit Busse bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt. Angesprochen ist die Melde- bzw. Benachrichtigungspflicht bei Unfällen mit Sachschaden. Als Unfall in diesem Zusammenhang gilt jedes Ereignis, das geeignet ist, einen Personen- oder Sachschaden herbeizuführen. Ist nur Sachschaden entstanden, so hat, gemäss Art. 51 Abs. 3 SVG, der Schädiger sofort den Geschädigten zu benachrichtigen und Namen und Adresse anzugeben. Wenn dies nicht möglich ist, hat er unverzüglich die Polizei zu verständigen. Die Meldepflicht richtet sich explizit nur an den Schädiger, also an jene Person(en), welche ursächlich zur Entstehung des Unfalls beigetragen haben, selbst wenn die Person nur und sogar schuldlos eine Teilursache für den Unfall gesetzt hat und auch wenn sie selber durch den Unfall geschädigt wurde. Schädiger muss also nicht ausschliesslich der Fahrzeuglenker des Unfallautos sein, sondern kann bspw. auch der Beifahrer sein, welcher während des Unfallvorgangs direkt ins Lenkrad eingriff.

    Soweit eine Meldepflicht besteht, muss man diese sofort befolgen, also so rasch es die Umstände erlauben. In erster Linie hat man den Unfall sofort dem Geschädigten mitzuteilen. Wenn dies nicht möglich ist, ist die Polizei zu verständigen. Wichtig ist, dass man bei Abwesenheit des Geschädigten nicht solange zuwartet, bis man diesen erreichen kann, sondern man sich in einem solchen Fall direkt an die Polizei wendet. Zweck davon ist, dass so, in jenen Fällen, in denen unter Umständen polizeiliche Erhebungen notwendig sind oder von der geschädigten Person verlangt werden, ein rasches Eingreifen durch die Polizei ermöglicht wird und die Beweissicherung gewährleistet ist. Durch die Meldepflicht an die Polizei soll es auch der geschädigten Person erleichtert werden, ihre Ansprüche geltend zu machen. Die Dringlichkeit der Meldung hängt weder von der Schwere noch von der Höhe des Schadens ab.

    Die Meldepflicht hat zuverlässig und vollständig zu erfolgen, man hat den Namen und die Adresse des Schädigers sowie die Art und den Umfang des Schadens zu melden. Der Schädiger hat den Namen und die Adresse selbst dann anzugeben, wenn der Geschädigte anwesend ist und somit den Schaden selber feststellen kann. Die Benachrichtigung an den Geschädigten hat mündlich zu erfolgen, entweder telefonisch oder persönlich. Nicht ausreichend ist das Hinterlegen einer Visitenkarte bzw. eines Zettels mit den nötigen Angaben an der Windschutzscheibe, da ungewiss ist, ob und wann der Geschädigte Kenntnis von der Nachricht erhält.

    Gemäss dem Bundesgericht entfällt die Melde- oder Benachrichtigungspflicht nach einem Unfall mit Sachschaden nur dann, wenn zweifelsfrei ausgeschlossen werden kann, dass ein Sachschaden eingetreten sei. So liegt auch dann bereits ein Unfall vor, wenn objektiv gesehen zwar kein Sach- oder Personenschaden entstanden ist, ein solcher aber gestützt auf die Art des Vorfalls nahe liegt bzw. eben gerade nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden kann. Wenn man also nur die geringsten Zweifel hat, dass ein Sachschaden am anderen Fahrzeug verursacht wurde- so gering er denn auch sein mag- sollte man den Fahrzeuglenker bzw. die Polizei verständigen. Nur im Falle eines Selbstunfalls, bei dem kein Drittschaden entstanden ist, ist der Motorfahrzeugführer nicht zur Meldung verpflichtet.

    Im vorliegenden Fall hätte der Unfallverursacher also das geschädigte Auto genau unter die Lupe nehmen sollen. Dadurch hätte er allenfalls den Schaden entdeckt und – auch wenn er ihn als nicht gravierend und kaum sichtbar befunden hat- entweder dem Geschädigten oder der Polizei melden müssen. Es empfiehlt sich zudem vom touchierten Fahrzeug ein Foto zu erstellen, um nachzuweisen, dass kein Schaden entstanden ist. Ein kurzer Blick aus der Ferne genügt hingegen nicht, um sich zweifelsfrei zu überzeugen, dass kein Sachschaden entstanden ist.


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