Nahbar, bodenständig, sympathisch – so wird Bundesrat Albert Rösti von eigenen Parteikollegen beschrieben, und so zeigte er sich auch kürzlich im Rahmen des SVP-Wahlauftaktes 2023 im Kulturhaus Rain in Kleindöttingen.
«Mission Impossible» war eines der Lieder, mit denen die Brass Band Kleindöttingen-Leibstadt den Auftakt-Abend der SVP Bezirk Rheinfelden und somit auch den Wahlkampf 2023 eröffnete. Dies notabene mit einem ganz prominenten Gast – unserem Energieminister Albert Rösti. Eine «Mission Impossible» dürfte auch ab und zu das neue Amt des Berner Oberländers sein. Als neuer Vorsteher des Departements Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) muss er gegensätzliche Meinungen unter einen Hut bringen – eine Aufgabe, die unter anderem viel Fingerspitzengefühl und Diplomatie verlangt. An seinem 116. Tag als Bundesrat besuchte Rösti erstmals den Kanton Aargau im Energiebezirk Zurzach. Seine Partei begrüsste ihn herzlich und respektvoll, zögerte aber nicht, entsprechende Kritik anzubringen. Rösti nahm es sportlich mit einer Prise Sarkasmus: «Ich blätterte nach einer Pressekonferenz durch eine Zeitung und stiess dort vor allem auf Kritik meiner eigenen Partei und auf Lob von den Grünen. Da dachte ich mir dann schon, ist jetzt alles in Ordnung?» Damit hatte der Berner Bundesrat die Lacher auf seiner Seite. In seinem Referat stellte Rösti seine Funktion, seine Aufgabenfelder und vor allem seine Zielvorstellungen vor. Zwar trat Rösti an diesem Abend als Bundesrat auf, aber dabei war ihm seine Rolle als stolzer Schweizer und Mitglied der Landbevölkerung ebenso wichtig.
Seine grösste Sorge als UVEK-Vorsteher
Zuoberst auf der Prioritätenliste steht für Rösti eine sichere Energieversorgung für unser Land. Letztes Jahr liessen einige Rahmenbedingungen eine mögliche Energiemangellage nicht ausschliessen. Der Ukraine-Russland-Krieg spielt dabei eine treibende Rolle. Nicht nur die Schweiz, sondern auch ihre Nachbarländer sind von russischem Gas abhängig. Rösti meinte aber auch ganz realistisch: «Wir müssen ehrlich mit uns sein. Unsere Lage ist auch zum Teil selbstverschuldet, z.B. mit dem Ausstieg aus der Kernkraft.» Die Aufgabe sei es nun, die Fehler der Vergangenheit zu beheben. Um eine mögliche Energiemangellage zu verhindern, müssten nun präventive Vorkehrungen getroffen werden. Die Lage ist unbeständig und genau deshalb braucht die Schweiz Energiereserven in Form von ölbetriebenen Reservekraftwerken, mehr Notstromgruppen und Wasserkraftreserven, die, wenn es eine Lücke in der Stromversorgung gibt, als kurzfristige Lösungen dienen.
Rösti sprach auch über mittelfristige Lösungen wie die erneuerbaren Energien. Dabei erntete er jedoch in der Fragerunde Kritik seiner Parteimitglieder. Der Energieminister konterte: «Kurzfristig können wir nur mit Wind, Wasser und Solarenergie Energie erzeugen. Alle anderen Technologien brauchen Jahrzehnte, um entwickelt zu werden. Erneuerbare Energie hat Vorrang. Windräder sieht man zwar in der Landschaft, aber wir brauchen nun einmal Strom.»
Weiter fokussierte sich Rösti auch auf die Dekarbonisierung. Um alle gesetzten Ziele des neuen Energiegesetzes erfüllen zu können, müssen die Lücken der fossilen Brennstoffe gefüllt werden. Man rechnet hier mit bis zu 75 % mehr Strombedarf. Dies sei nur dann zu erreichen, wenn man in Zukunft technologieoffen auf alle verfügbaren Formen der Stromproduktion zurückgreife.
Verständnis zwischen Stadt und Land schaffen
Ein weiteres Ziel, das Albert Rösti während seinem Vortrag aufgriff, ist das existierende Unverständnis zwischen Stadt und Land. In der Stadt solle vor allem produziert und gewohnt werden, auf dem Land die Biodiversität und Umwelt geschützt werden. Albert Rösti möchte diese Muster aufbrechen: «Es gibt keinen Grund dafür, dass nur auf dem Land die Artenvielfalt geschützt werden soll. Dies kann man genauso auch in der Stadt machen.» Man müsse darauf achten, dass man durch die strengen Anforderungen an die Umwelt die Landwirtschaft nicht an den Rand dränge. Weiter müssen die Unterschiede zwischen Stadt und Land mehr ausgeglichen werden, beispielsweise durch den Faktor der Dezentralisierung.
In die Autobahn investieren
Das Erfüllen des Mobilitätsbedürfnisses der Schweizer gehört zu einem weiteren Kernanliegen Röstis. Die Infrastruktur müsse verbessert werden. Um den hohen Anforderungen an den Verkehr gerecht zu werden, sei es laut Rösti wichtig, zum Beispiel im Mittelland die Autobahn auszubauen: «Der Zug ist hier bereits jetzt konkurrenzfähiger als das Auto. Man kommt in der Regel von Bern in einer Stunde nach Zürich. Es bringt nichts, Milliarden in den Zug zu investieren, um zwei Minuten zu gewinnen. Wenn wir diese Milliarden in die Autobahn investieren und man so eine Viertelstunde weniger im Stau stehen muss, bringt dies allerdings etwas.»
Das Umgekehrte sei aber auch nötig, im öffentlichen Verkehr in den Agglomerationen. Im Kleinverkehr sei man mit dem Auto immer noch schneller, deshalb müsse man nun die Bahnhöfe ausbauen. «Wir haben grössere Ausbauprojekte in Planung oder bereits in Arbeit in Genf, Lausanne, Luzern, aber auch Basel. Das sind die Hauptausbauprojekte im öffentlichen Verkehr. Wir brauchen, um in Zukunft rechtzeitig von A nach B zu kommen, beides – ÖV und Autos. «Doch leider geht der Umbau und Ausbau der Infrastruktur nicht so schnell wie gewünscht», bedauerte Rösti und gewährte dem Publikum auch ein Müsterchen aus seinem Arbeitsalltag als Schweizer Bundesrat. Als Vorsteher des UVEK ist er angefragt worden, die 3. Röhre des Gubrist-Tunnels zu eröffnen. Auf Röstis Antwort, dass er nichts zu dem Bau des Tunnels beigetragen habe, antwortete der Chef des Bundesamts für Strassen: «Die Projekte, die du selber beginnst, kannst du in deiner Amtszeit nie eröffnen.»
Eigene Partei kritisiert Rösti
Doch der Bundesrat erntete nicht nur Lacher und Applaus. Nach seinem Referat stellte sich Rösti auch den Fragen und der Kritik seiner eigenen Partei. Nationalratskandidat und Journalist Philipp Gut sprach dabei auch die Rolle Röstis beim Stromfresser-Gesetz an, über das wir am 18. Juni abstimmen: «Du warst als Nationalrat eine der treibende Kräfte, die das Referendum ergriffen hatten. Dabei hast du betont, das Stromfresser-Gesetz führe zu einer Kostenexplosion und gefährde eine sichere und bezahlbare Energieversorgung. Die Fakten sind doch die gleichen geblieben, seit du Bundesrat geworden bist, oder nicht?» Dem stimmt auch Rösti zu. Er antwortete zwar diplomatisch, um seine Bunderatskollegen nicht zu verärgern, betonte aber die Wichtigkeit einer sicheren Energieversorgung: Seiner Meinung nach kommt «Energiepolitik vor Klimapolitik». Rösti liess durchblicken, dass er bei aller Diplomatie im Herz ein SVPler geblieben ist. Nationalratskandidat Philipp Gut nahm es mit Genugtuung zur Kenntnis.
Lilly Rüdel