Die Schweiz ist auf den Hund gekommen


    Mit spitzer Feder …


    (Bild: zVg)

    Corona hat viele Gesichter und unter anderem dazu geführt, dass die Schweiz auf den Hund gekommen ist – und dies im wahrsten Sinne des Wortes! Die Corona-Einsamkeit hat bei mancher Schweizerin und manchem Schweizer die (vermeintliche) Tierliebe geweckt. Gefühle, Aufmerksamkeit, Streicheln, körperliche Nähe – all das bleibt in der Corona-Pandemie seit einem Jahr auf der Strecke. So suchen viele Menschen Freundschaft und Trost bei Haustieren. Tierheime wundern sich, dass ihnen der letzte Köter aus den Händen gerissen wurde, der sonst einsam hinter Gittern sein Dasein fristen musste. Da nützen alle Aufrufe der Tierheime und Tierschutzorganisationen und -vereinen nichts, doch den Kauf eines Haustieres bedacht anzugehen, auf Importe und Qualzuchten aus dem Ausland zu verzichten und bei einer Anschaffung dann auch entsprechend Verantwortung für das Haustier zu übernehmen. Doch die Fachexperten stiessen mit ihren Empfehlungen und Tipps grossmehrheitlich auf taube Ohren. Auch härtere Kontrollmassnahmen über die Tauglichkeit der neuen Besitzerinnen und Besitzer, damit nach der Pandemie die Tierheime nicht mit ungewollten Hunden überfüllt werden, scheinen nur bedingt zu funktionieren. Denn war es vor drei Monaten noch fast aussichtslos, einen Hundewelpen zu bekommen – gibt es nun ein Überangebot.

    Ich bin grundsätzlich sehr tierlieb und habe in meiner Jugend in der Freizeit gerne und oft bei einem befreundeten Tierarzt gearbeitet und ausgeholfen. Doch zusehends nervt mich das Verhalten gewisser Hunde und vor allem deren Besitzerinnen und Besitzer. Man begegnet diesen Handtaschenhunden fast an jeder Strassenecke – egal ob auf dem Land oder in der Stadt. Seit Corona tummeln sie sich geradezu in unangenehmen kläffenden Horden im Park, auf dem Spielplatz, im Café oder sogar in Geschäfts- und Büroräumen. Die «Bäffzger» sind oft schlotternde Miniversionen des Canis lupus mit chronischer Atemnot und Gelenkproblemen, eingepackt in Designermäntelchen, verziert mit Lack, Leder und Strasssteinchen. Geschöpfe, deren ursprünglichen Bedürfnisse und Lebensräume zugunsten von Kommerz, Lifestyle und hippen Trends von durchgeknallten Stars und Sternchen ignoriert werden. Geschöpfe, die nur existieren, damit ihr Frauchen mit langen lackierten Nägeln, Fischmund und zugekleistertem Gesicht den Wolf in die Armani-Tasche stecken kann, damit er kompatibel für die 34-Quadratmeter-Singlewohnung ist. Und werden diese degenerierten Häufchen Fell nicht in der Tasche oder im Kinderwagen Gassi geführt, so benötigen sie dreimal so lang für einen Spaziergang wie ihre grossen Artgenossen. Und die oftmals nervösen, ratlos dreinblickenden Besitzerinnen und Besitzer betrachten ihre Pinscher, Terrier, Welsh Corg, Chihuahua, Mops, Bulldogen, Cavapoo usw. wie ein Kleinkind, das gerade laufen lernt.

    Eine noch grössere Zumutung als die invasiven Begegnungen mit diesen Schosshündchen, ist ihr Gekläffe – in der Wohnung über mir sowie in den Nachbarliegenschaften: Da jault und grummelt es. Besonders nachdem Lockdown inklusive Homeoffice-Pflicht aufgehoben und die Tage wieder länger und wärmer wurden und Frauchen und Herrchen wieder ihrem normalen – eigentlich hundlosen – Leben nachgehen, nehmen die lästigen Hunde-Konzerte zu. Die Tiere sind den Bedürfnissen ihrer verantwortungslosen Besitzer gnadenlos ausgeliefert und finden sich hier als eigentliche Herdentiere in Isolationshaft. Tja – Hunde sind Lebewesen – keine Puppen, die man in der Schublade versorgt, wenn man keine Lust mehr zum Spielen hat. Und Hunde sind auch keine Lückenbüsser, wenn Frauchen oder Herrchen ein Problem mit sich selbst hat und sich selbst nicht mit Liebe und Geborgenheit versorgen kann.

    Und nun haben wir die Missstände mit der neuen Spezies Corona-Hund. Dank der Pandemie sind diese Tiere oft ohne Hundeschule oder Hundetrainer aufgewachsen. Sie wurden im Hunde-Homeschooling zum Einzelprinzen bzw. -prinzessin verhätschelt. Durch die Homeoffice-Zeit des Halters oder der Halterin hat das Tier nie gelernt, alleine zu sein. Unsere Tierheime stehen nun vor der grossen Herausforderung, solche Hunde zu vermitteln. Denn die neue Corona-Hundegeneration braucht Menschen mit viel Zeit und Geduld – die immer zu Hause sind und Lebens- noch besser Hundeerfahrung haben. Also liebe Rentnerinnen und Rentner, wenn Sie mit Ihren Corona-Enkeln nicht ausgelastet sind, denken Sie über einen Corona-Hund nach.

    Herzlichst,
    Ihre Corinne Remund
    Verlagsredaktorin

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