«Baden und Turgi ticken offenbar sehr ähnlich»

    Die beiden Gemeinden würden gut zusammenpassen, finden Stadtammann Markus Schneider und Gemeinde­ammann Adrian Schoop im Interview. Für ein Ja zum Fusionsvertrag, über den bald abgestimmt wird, sprächen aber auch handfeste Gründe – allen voran das bauliche und wirtschaftliche Entwicklungspotenzial, das Turgi als Ortsteil von Baden entfalten könnte.

    (Bilder: Thomas Röthlin) Sowohl in Turgi (links) als auch in Baden (rechts) – seit zwei Jahren gemeinsam unterwegs in Sachen Information über die Fusion: Markus Schneider und Adrian Schoop.

    Bald ist Gemeindeversammlung in Turgi, an der über den Fusionsvertrag mit Baden abgestimmt wird. Sind Sie nervös?
    Adrian Schoop: Im Juni 2021 hat die Turgemer Stimmbevölkerung mit überwältigendem Mehr für die Ausarbeitung dieses Vertrags votiert. Ich bin zuversichtlich, dass die Gemeinde am 17. November auch dem fertigen «Vertrag über den Zusammenschluss der Einwohnergemeinden Baden und Turgi zur Einwohnergemeinde Baden» zustimmen wird.
    Markus Schneider: Davon gehe ich auch aus. Es waren ja die Turgemerinnen und Turgemer, die 2019 an einem Bevölkerungsworkshop entschieden, den Zusammenschluss mit einer anderen Gemeinde zu suchen, und zwar am liebsten mit Baden. Deshalb bin nun auch ich nicht nervös.

    Im Dezember entscheidet dann der Einwohnerrat Baden. Dort dürfte es knapper werden, oder?
    Schneider: Tatsächlich sind die meisten kritischen Fragen zum Vertrag und zur Fusion an sich aus Baden gekommen. Die Projektsteuerung hat versucht, diese so gut wie möglich zu beantworten und die Befürchtungen zu zerstreuen. Wir haben nach einer Mitwirkung für die Parteien auch den Vertrag nochmals etwas angepasst.
    Schoop: Ein Beispiel ist das Ortsbürgerrecht. Turgi hat seit Jahren keine Ortsbürgergemeinde mehr. Ursprünglich stand im Vertragsentwurf, unsere ehemaligen Ortsbürgerinnen und Ortsbürger bekämen das Badener Ortsbürgerrecht kostenlos. Dies haben wir aufgrund von zahlreichen Rückmeldungen geändert. Jetzt ist es so, dass alle Bürgerinnen und Bürger der fusionierten Gemeinde das Ortsbürgerrecht «zu gleichen Bedingungen» erhalten.

    Gleich lange Spiesse für beide Fusionspartner also hier. Beim Steuerfuss profitiert Turgi aber eindeutig mehr.
    Schoop: Für alle Einwohnerinnen und Einwohner von Turgi sinkt bei einer Fusion der Steuerfuss von 113 Prozent auf das heutige Badener Niveau von 92 Prozent. Dafür bringen wir ein Nettovermögen ein und können so die in Baden stark gestiegen Schuldenlast etwas dämpfen.

    Aber die Steuererträge fehlen in der neuen Stadt Baden.
    Schoop: Das stimmt. Diese sinken im ersten Jahr der Fusion wegen der Angleichung des Steuerfusses um 1,341 Mio. Franken. Da wir aber keine so grosse Bevölkerung haben, macht dies nur gerade 1,4 Prozent des prognostizierten Gesamtsteuerertrags aus…Schneider: … und diese Differenz ist viel kleiner als die Unterschiede bei den Badener Steuererträgen in den vergangenen Jahren. Diese Schwankungen erklären sich durch den überdurchschnittlichen Anteil an Aktiensteuern in Baden, die weniger präzis budgetierbar sind. Aber die künftigen Mindereinnahmen bei den Steuern sind auch aus anderen Gründen zu relativieren.

    Nämlich?
    Schneider: Erstens löst die Fusion Synergieeffekte aus. Zum Beispiel hat Turgi keine eigenen Behörden mehr, und der heutige Stellenetat wird nicht eins zu eins übernommen. Natürlich gibt es fusionsbedingte Umsetzungs- und Anpassungskosten, aber diese sind vorübergehend und werden durch die Beiträge des Kantons für Gemeindezusammenschlüsse vollständig finanziert. Unter dem Strich werden die Synergien dazu führen, dass Baden-Turgi ab 2026 eine gute halbe Million Franken weniger Aufwand in der Rechnung hat.

    Und zweitens?
    Schoop: Wir sehen ein grosses Entwicklungspotenzial in Turgi als Ortsteil von Baden. Der tiefere Steuerfuss ist das eine, die Chancen für Firmenansiedlungen sind das andere. 2021 ist es der Kontaktstelle Wirtschaft der Stadt Baden gelungen, in der Spinnerei Turgi ein Spin-off der ETH anzusiedeln. Ein bahnhofsnahes und gleichzeitig preislich so attraktives Gebäude gibt es in Baden offenbar nicht. Das Beispiel zeigt, dass es beides braucht: freie Flächen zu guten Konditionen, aber auch den Namen «Baden» mit seiner Strahlkraft. Sobald unser Entwicklungskonzept für das Bahnhofsgebiet umgesetzt wird, werden wir einiges an zusätzlicher Gewerbefläche zu bieten haben.

    Sind diese erhofften Entwicklungen nicht einfach Wunschdenken?
    Schneider: Nein, wir sprechen aus Erfahrung. Schauen Sie, was in Dättwil seit der Eingemeindung 1962 passiert ist: Damals war es ein Bauerndorf. Heute sind hier gut 7’000 der total über 29’000 Beschäftigten von Baden tätig. Natürlich ist diese Entwicklung nicht über Nacht passiert, und auch in Turgi werden neue Einwohnerinnen und Einwohner sowie Firmen nicht sofort Schlange stehen. Deshalb kann man das Potenzial auch nicht in Zahlen fassen, das wäre unseriös. Aber man kann den mittel- und langfristigen Effekt auch nicht genug hervorheben! Wir als Exekutivmitglieder sind überzeugt: Eine Fusion mit Turgi wäre für Baden ein echter Gewinn und eine grosse Chance, die Stadt weiterzuentwickeln. Turgi könnte zum dritten Wirtschaftsgebiet neben Baden-Nord und Dättwil werden.
    Schoop: Die Weiterentwicklung von Baden gilt natürlich nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für die wachsende Bevölkerung. Wir haben unsere Bau- und Nutzungsordnung revidiert und damit die Grundlage für zusätzlichen Wohnraum geschaffen.

    Die Fusion muss nächsten Frühling auch eine Volksabstimmung überstehen. Spielen hier neben den rationalen nicht auch emotionale Kriterien eine Rolle?
    Schoop: Klar. Ich glaube aber, die Bevölkerung von Baden und Turgi ist sich in den letzten zwei Jahren nähergekommen. Baden als Zentrumsgemeinde hatte für die Turgemerinnen und Turgemer natürlich schon immer eine Anziehungskraft. Im Rahmen des Fusionsprojekts haben wir die Badenerinnen und Badener aber auch vermehrt nach Turgi und mit unserem Dorf in Kontakt gebracht: während der Pandemie mit Livestreams, dann mit Marktständen, einer Zusammenkunft der Vereine und diesen Sommer auf verschiedenen Quartierspaziergängen.
    Schneider: Auf diesen Spaziergängen habe ich einiges erfahren: Turgi hat eine schmucke Bahnhofstrasse mit innovativen Geschäften. Turgi hat mit dem Gehlig wie Baden mit der Allmend eine zum Wohnen sehr attraktive Gartenstadt. Und ich weiss jetzt endlich, warum in Wil das «Korea-Quartier» so heisst.
    Schoop: Genau, Turgi hat alles, was es zum Leben braucht, und ist in diesem Sinn sehr urban. Ich kenne viele Menschen in Baden und Turgi und stelle sozusagen täglich fest: Wir ticken offenbar sehr ähnlich.

    Redaktion

    Weitere Informationen auf
    der Projektwebseite:
    baden-turgi.ch


    Baden-Turgi: natürlich verbunden

    (Bild: Franz Killer)

    Unter diesem Titel läuft seit 2020 ein Zusammenschlussprojekt der beiden Gemeinden. In der ersten Projektphase analysierten sieben Arbeitsgruppen aus Behörden und Verwaltung verschiedene für die Fusion wichtige Themenbereiche und leiteten daraus Chancen und Risiken eines Zusammenschlusses ab. Am 13. Juni 2021 erteilten die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger von Baden und Turgi an der Urne der Projektsteuerung den «Auftrag zur Ausarbeitung eines Fusionsvertrages» (mit 58,7 Prozent Ja-Anteil in Baden und 84 Prozent Ja-Anteil in Turgi). Dieser liegt nach einem politischen Mitwirkungsverfahren und der kantonalen Überprüfung nun vor und ist ein Traktandum der Gemeindeversammlung von Turgi am 16. November und der Sitzung des Einwohnerrats Baden vom 6./7. Dezember. Bei einem Ja zum Vertrag in beiden Gemeinden steht nächsten Frühling die letzte demokratische Mitbestimmungsmöglichkeit an: eine Volksabstimmung am 12. März. Der Zusammenschluss von Baden und Turgi würde per 1. Januar 2024 umgesetzt.

    Auf der Projektwebseite baden-turgi.ch sind neben dem Fusionsvertrag weitere Dokumente zu finden, so zum Beispiel ein Bericht, der die finanziellen Auswirkungen des Zusammenschlusses beleuchtet.

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